
Welcher Baum soll einst auf meinem Grab stehen? – der Baum des Lebens
Seit Alters her und in allen Kulturen symbolisiert der Baum die Verbindung von Himmel, Erde und Unterwelt. Yggdrasil die Weltenesche ist der Baum nordischer Völker, der Bhodi-Baum in Indien symbolisiert die Ewigkeit, Etz Chaim des alten Israel ist der Baum der Erkenntnis und des ewigen Lebens, die Dattelpalme spendet Leben und trägt im Islam den Himmel und wurzelt tief in die Erde hinein.
Die Säulen der Gotteshäuser symbolisieren heilige Haine himmeltragender Lebensbäume. Alles in der Welt ist dem Gesetz des Ausgleichs unterworfen. Daher verwundert es nicht, dass bei uns Gericht unter einer Linde abgehalten wurde.
Den Bäumen werden Hoffnung, Kraft, Entwicklung, der Zyklus von Leben und Tod, Fruchtbarkeit, Erholung – Ruhe, Frieden, Entspannung und Wohlstand zugeschrieben. Wie wohltuend ist doch der kühle Schatten an heißen Sommertagen, wie sehr bremst eine Gruppe von Bäumen im Winter den kalten Wind?! Viele Bäume spenden Nahrung für Menschen und alle sind Lebensraum für unzählige Tiere. Auch das Holz noch spendet Wärme und gibt uns Schutz, wenn es in ein Haus gebaut wird und im Kamin knistert.
Thuja wird im Deutschen als Lebensbaum bezeichnet. Sicherlich deswegen, weil sie immergrün ist. Doch ist die Thuja sehr giftig und bei (eher unwahrscheinlichem) Genuss aller Bestandteile ein Todesbaum. Man findet sie sehr oft als Baum auf dem Friedhof. Nein, mein Lebensbaum wird ein anderer sein. Es wird ein Baum sein, der gleich zu Beginn des Jahres in eine weiße Wolke der jugendlichen Reinheit gehüllt ist, eine Wolke, um die sich sogleich das Leben mit summender Musik einfindet, um Nektar, den Saft der Götter, zu sammeln. So, wie die Jugend bald vergeht, so legt sich diese Wolke sodann wie Schnee unter den Baum auf mein Grab und bedeckt es mit dem Weiß der Vergebung. Alsbald umgibt sich der Baum mit dem Grün der Hoffnung, in Üppigkeit reichen Lebens. Es spendet kühlen Schatten und ist die Bühne des schönsten Konzerts, wenn auf seinen Zweigen die Vögel singen. Die Tage werden länger und es reifen die süßen und saftigen Früchte. Sie spenden Freude und Leben. Und in ihrem Innern schlummert schon die Hoffnung auf die Zukunft weiterer dieser Bäume. An heißen Tagen sammelt der Baum die Sonnenwärme für den Herbst. In warmes Gelb-Orange-Rot getaucht verabschiedet sich dieser Baum, bis er sklerotisch wie tot wirkt und dennoch bereit ist für eine Wiedergeburt. Sein Stamm glänzt rotbraun, seine Zweige zeigen die kosmische Ordnung, seine Wurzeln geben festen Halt. Selbst das rötliche Holz ist fein und edel.
Es ist der Kirschbaum, ein Baum, den man in der Mythologie dem Mond zuordnet. Elfen und Feen tanzen unter ihm an Vollmondnächten. In Japan wird jedes Jahr das Kirschblütenfest als Beginn des Jahres mit der ganzen Familie gefeiert. Der Kirschbaum ist spendabel. Er gibt Hummeln und Bienen reichlich Pollen und Nektar. Die süßen und saftigen Früchte sind bei Mensch und Tier beliebt. Sehen sie nicht schön aus? Wie rote, glänzende Herzen! Nicht umsonst ist die Kirsche die Liebesfrucht. An manchen Stämmen tritt aus Verletzungen der Rinde dem Bernstein ähnliches Harz aus. Dieses Katzengold war einst in Wein aufgelöst als Hustensaft gebräuchlich. Früchte, ihre Stiele wie auch die Blätter können wohltuend bei Husten und Verdauungsstörungen sein. Die Kerne in einem Beutel gesammelt und im Ofen angewärmt sind als Wärmekissen empfohlen. Am Barbaratag (4. Dezember) ein paar Zweige geschnitten blühen sie zu Weihnachten.
Der Kirschbaum steht für mich für kosmische Ordnung, Wiedergeburt, Reinheit und Unschuld, Leben und Liebe spendend sowie wohltuend wärmend wie kein anderer Baum. In ihm will ich wirken, pflanzt man ihn auf mein Grab.
Alexander Droste