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Brüderlichkeit am Beispiel Autoverkehr

Was verstehen wir unter Brüderlich im Wirtschaftsleben? “… Auf keinem anderen Gebiete können wir so leicht und so selbstverständlich die brüderlichen Verhältnisse unter den Menschen im vollsten Sinne des Wortes entwickeln wie gerade im Wirtschaftsleben. Die Impulse des brüderlichen Lebens, die entspringen, indem wir ein gewisses Verhältnis herstellen, aus dem, was wir besitzen, zu dem, was der andere besitzt; dessen, was wir bedürfen, zu dem, was der andere bedarf; aus dem, was wir haben, zu dem, was der andere hat und so weiter. …” (Steiner, GA 193)

Auto zu fahren ist nicht unbedingt ein Teilgebiet des Wirtschaftslebens. Wieso soll hier Brüderlichkeit des Wirtschaftslebens erörtert werden können? Nun, es gibt den alten Spruch “time is money”. Insbesondere gilt der im Lieferverkehr, wo dieses kein Sprichwort ist, sondern knallharte Realität des Wirtschaftslebens. Also die Währung im Straßenverkehr sei die Lebenszeit, die man bspw. am Steuer des Automobils verbringt. Man teilt diese Zeit mit unzähligen anderen Verkehrsteilnehmern. Und jeder kennt es, der am Verkehr teilnimmt, egal ob mit Auto oder zu Fuß: Es gibt immer Leute, die es besonders eilig haben und so an Rücksicht vermissen lassen gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern, die ja für gewöhnlich nicht zum reinen Vergnügen die Straßen benutzen. Alle haben ein Ziel, an das sie möglichst bald und sicher ankommen möchten.

Nehmen wir also die Zeit als Währung – eine Währung, die zunehmend abnimmt (kleines Wortspiel), also begrenzt wird durch eigene Wahl des Tempos und das Zusammenspiel mit allen anderen. Genug davon hat fast keiner, also muss man sich die Zeit irgendwie nehmen. Manche nehmen sie von den anderen. Ja wie geht das denn?

Nehmen wir eine Autokolonne auf der Autobahn. Alle, die sich hier befinden, haben eine mehr oder weniger weite Strecke vor oder hinter sich. Sie haben demnach Zeit investiert oder stehen gerade davor. Das Ziel wartet mit seiner eigenen Zeitvorgabe wie zum Beispiel die Arbeitsstätte, eine Verabredung, ein dringender Arztbesuch – was auch immer, jeder hat einen Grund baldigst anzukommen. Zeit, wenn sie eine Währung ist, kann auch gestohlen oder verschwendet werden. Dafür nehmen wir einmal drei Beispiele:

1. Ein Fahrzeugbesitzer vernachlässigt die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit, a.) die eigene oder b.) die des Fahrzeugs oder gar beides. Es entsteht eine Panne oder gar ein Unfall, der folglich einen Stau verursacht. Der Nachlässige stiehlt also unzähligen anderen, die ihm nachfolgend die Straße benutzen, die Lebenszeit, indem er bei seiner eigenen gespart hat. Ja, das ist ein schwerer Vorwurf. Aber diese Art Diebstahl ist nicht strafbar, es sei denn, man kann dem Fahrer grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachweisen. Das geschieht erst bei einem Unfall. Nur wird bei Sach- bzw. Personenschaden geahndet, nicht jedoch der entstandene Schaden an Lebenszeit vieler. Brüderlich würde also derjenige handeln, der nach bestem Gewissen sein Fahrzeug in gutem Zustand erhält, der seine Reise so plant, dass er auf jeden Fall rechtzeitig ans Ziel kommt und der geistig wie physisch gesund ist. Gut, letzteres ist oftmals im Voraus schwierig einzuschätzen. Was darüber hinaus passiert, ist ggf. höhere Gewalt.

2. Wenn wir die Autobahn benutzen, fallen uns immer mal Stellen auf, an denen

Autos abfahren oder hinzukommen, also Aus- und Zufahrten. Zwischen jedem Fahrzeug ist ein gewisser Abstand. Dieser ist genau betrachtet meistens viel zu kurz. Da ist nun einer, der es auf der Überholspur unheimlich eilig hat, dann aber 50 Meter vor der Ausfahrt bemerkt da unbedingt ausfahren zu müssen. Er bremst und zwängt sich in die Lücke auf der Fahrspur rechts von ihm. Sowohl der Nachfolger auf der linken Spur als auch der auf der rechten Spur muss bremsen. Der auf der Linken hat es ebenso eilig und ärgert sich über die Nötigung, viele Weitere danach ebenso, sie müssen alle ihr Tempo verzögern. Der auf der Rechten muss seinen Abstand wieder herstellen und alle Nachfolgenden ebenso. Es entsteht der berühmte Ziehharmonikaeffekt, der bei vollen Straßen bis zum Stillstand geraten kann. Wer stiehlt denn hier eigentlich irgendwessen Zeit? Nun, der kurzentschlossene “Überholabbieger” hat ein System zum Einsturz gebracht, nämlich den Verkehrsfluss. Aber auch alle anderen haben den groben Fehler begangen und einen zu kurzen Abstand zum Vorausfahrenden gewählt. Das ist im Ernstfall auch gefährlich. Punkt 1. a.) wäre da zu beklagen. Hier löst es nur einen ärgerlichen Effekt aus, der nicht entstehen würde, wenn der Abstand so groß gewählt würde, dass der Verkehrsfluss gar nicht bemerkt, dass da einer kurzentschlossen ab- bzw. zufahren möchte. Man kann also wörtlich sagen: Es geht mit Abstand schneller. Brüderlich in diesem Fall ist die richtige Wahl des Abstands.

3. Aus irgendeinem dem unbefangenen Autolenker nicht wahrnehmbaren Grund ist der Verkehr auf der Ausfahrt ins Stocken geraten. Eine Ampel vielleicht oder Wartezeiten, um auf eine Querstraße einzubiegen etc. Jede Ausfahrt gabelt sich zuweilen in die ausführende und eine weiterführende Spur nebst Standspur für den Notfall. Hier wird es richtig unbrüderlich. Denn es gibt nicht wenige Zeitdiebe an solchen Stellen. Während also die einen brav angestellt warten, dass sie ausfahren können, ziehen auf der Standspur oder auf der weiterführenden Spur Autos vorbei, die sich dann ganz vorne wieder einreihen. Derweil verpasst einer seinen Flug in den Urlaub, ein Kind wird auf dem Rücksitz geboren, ein wichtiger Auftrag geht verloren und was sonst noch für Desaster. Man kann also feststellen, dass diese Wartezeit gerade durch solche Zeitdiebe erheblich verlängert wird. Das ist zwar verboten, wird aber selten geahndet. Brüderlich wäre es selbstredend, sich ebenso geduldig zu geben und den anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber fair zu sein, zumal solche Verzögerungen, die immer passieren können, in die eigene Zeitplanung zu integrieren sind. Es ist kein Weltuntergang, wenn man ein paar Minuten später am Ziel ankommt, insbesondere, da man heute per Funk seine eventuelle Verspätung mit Begründung ankündigen kann. Es kann aber ein Weltuntergang für manche werden, wenn aus fünf Minuten durch Vordrängler fünfzig Minuten werden.

” … Diese Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben (oder hier Straßenverkehr), dieses brüderliche Verhältnis unter den Menschen, das im Wirtschaftsleben strahlen muß, wenn Gesundung des Wirtschaftslebens da sein soll, das ist dasjenige, was, wenn ich so sagen soll, aus dem Wirtschaftsleben aufdampft, so daß, indem wir gerade aus dem Wirtschaftsleben heraus es uns anerziehen, wir es mitnehmen durch die Pforte des Todes und hineintragen in das übersinnliche Leben nach dem Tode. So erscheint für das irdische Leben das Wirtschaftsleben als das niederste, aber in ihm entwickelt sich etwas, was gerade hineinpulst aus dem Irdischen durch die Pforte des Todes in das Überirdische.” (Steiner, GA 193) – hoffentlich unfallfrei.

Alexander Droste

Categories: ZUKUNFTSWERKSTATT

Hervorragende Arbeit

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